Skalierung - So gelingt Startups das Wachstum
Startups sind Unternehmen mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Skalierungspotenzial – so lautet die gängigste Definition. Schnelles Wachstum bringt eine Reihe von Herausforderungen mit sich, die Startups meistern müssen, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen. Wir geben Tipps, wie das gelingen kann.

Klein angefangen: Auch Apple war einst ein Startup
Die Geschichte vieler Startups beginnt mit zwei bis drei Personen, die gemeinsam mit einer Idee die Welt verbessern und das große Geschäft machen wollen. So war es 1976 auch bei Steve Jobs, Steve Wozniak und Ronald Wayne. Jobs war der Visionär, Wozniak das Tech-Genie und Wayne der Mann, der sich um das Tagesgeschäft bei Apple kümmern sollte. Nach elf Tagen verließ er das gerade gegründete Unternehmen bereits wieder. Daraus lässt sich die erste Lektion ableiten: Augen auf bei der Wahl des Gründungsteams! Die Zusammenstellung der unterschiedlichen Charaktere und Kompetenzen muss passen und sich ergänzen. Dem Erfolg der Garagenfirma tat der frühe Ausstieg eines Co-Founders allerdings bekanntlich keinen Abbruch; Apple entwickelte sich zum wertvollsten Unternehmen der Welt.

Beiersdorf – vom Startup zum Global Player
Ein Triumphzug wie der von Apple wird für die allermeisten ein unerreichbarer Traum bleiben, aber er verdeutlicht zumindest, dass auch die größten Konzerne einmal klein angefangen haben. Wenn Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher über Startups spricht, nennt er als historisches Beispiel gern Beiersdorf, heute vor allem durch die Körperpflegemarke Nivea bekannt. Angefangen hat es 1882 mit einem Patent des Apothekers Paul C. Beiersdorf für die Herstellung medizinischer Pflaster. Im Laufe der Jahre führte das zur Entwicklung zweier Marken, die heute noch Synonyme für ihre Produktgattung sind: tesa und Hansaplast.
Aus diesem Beispiel lassen sich zwei weitere Lektionen lernen. Zum einen muss die Ursprungsidee nicht immer die beste sein, sie kann aber zu dem eigentlichen Erfolgsprodukt führen. Im Startup-Jargon nennt man das Pivot. Zu anderen empfiehlt es sich, mit einem bestimmten Produkt zu beginnen und es den Markterfordernissen entsprechend iterativ weiterzuentwickeln. Später kann dann das Angebot erweitert werden, bei Beiersdorf beispielsweise durch die den Lippenpflegestift Labello und eben die weltweit bekannte Nivea-Creme.

Teamaufbau im Startup: von der Familie zur Nation
Waren die ersten Schritte für das junge Unternehmen erfolgreich, bleibt es in der Regel nicht lange bei der Kernmannschaft von zwei bis drei Personen. Der Aufbau eines Teams ist mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden. Am Anfang geht es dabei im Idealfall noch geradezu familiär zu, weshalb diese Phase in einem Wachstumsmodell auch als „Familie“ bezeichnet wird. Sie beschreibt eine Teamgröße von bis zu neun Personen. Die weiteren Phasen sind „Stamm“ (bis zu 100 Personen), „Dorf“ (bis zu 1.000 Personen), „Stadt“ (bis zu 10.000 Personen) und „Nation“ (mehr als 10.000 Personen).
Schon bei größeren „Familien“ können sich erste Hierarchien bilden, bei umfangreicheren Teams ist das unausweichlich. Dann müssen Gründer:innen, die häufig aufgrund einer sehr persönlichen Erfahrung gestartet sind, lernen, Kompetenzen und auch Kontrolle abzugeben. Keine leichte Aufgabe, denn die intrinsische Motivation fehlt den neuen Mitarbeitenden. Kommerziell bereits erfolgreiche Startups können das über hohe Gehälter ausgleichen. Andere locken mit hohen Prämien bei einem angestrebten Börsengang oder Exit. Für viele Mitarbeitende ist auch der gesellschaftliche Nutzen eines Startups ein entscheidender Faktor, oder die Chance, sich unmittelbar in die internen Prozesse einbringen und echten Einfluss nehmen zu können.
Voraussetzung für das Teamwachstum ist natürlich, dass überhaupt geeignete Fachkräfte zu finden sind. Das ist bei Startups, die beispielsweise im hochtechnologischen oder wissenschaftlichen Bereich unterwegs sind, keinesfalls selbstverständlich. Auch IT-Expert:innen sind heiß begehrt. Deshalb konzentriert sich die Personalsuche nicht nur auf den deutschen Arbeitsmarkt. Laut Deutschem Startup Monitor 2024, der wichtigsten Informationsquelle über die Startup-Szene hierzulande, liegt der Anteil ausländischer Mitarbeitender bei fast 31 %. Die müssen ihre Heimatländer nicht unbedingt verlassen, was ihre Rekrutierung leichter macht. Ein weiterer Vorteil sind eventuell niedrigere Lohnkosten, nachteilig können sich dagegen erhebliche Zeitverschiebungen, sprachliche Barrieren und mangelnde Kontrolle auswirken. Andererseits stellt bei der Eingliederung in den deutschen Arbeitsmarkt der hohe bürokratische Aufwand in Hindernis dar. Startups wie Localyze aus Hamburg haben sich deshalb darauf spezialisiert, dieses Onboarding zu erleichtern.


Startup-Finanzierung: Wer wachsen will, braucht Kapital
Größere Teams verursachen höhere Kosten, und das ist nur einer von vielen Faktoren, welche die Ausgaben während des Wachstumsprozesses in die Höhe treiben. Hinzu kommen Marketing, Mieten, Anschaffung von produktionsrelevanten Geräten und vieles mehr. Kurz gesagt: Startups sind ständig auf der Suche nach Geld und nur in den seltensten Fällen können sie sich selbst aus ihren Gewinnen finanzieren. Die Investorensuche gehört daher zu den Daueraufgaben. Beim Deutschen Startup Monitor 2024 gaben 74 % der Befragten an, in den kommenden 12 Monaten externes Kapital aufnehmen zu wollen. Beim Start helfen oft ein EXIST-Gründungsstipendium, Acceleratoren oder Förderprogramme. In Hamburg hat hier die IFB Innovationsstarter GmbH ein besonders vielfältiges Angebot
Die Beschaffung von Eigenkapital ist jeweils mit der Abgabe von Unternehmensanteilen verbunden. In der ersten Finanzierungsrunde, Pre-Seed genannt, werden meistens nur kleinere Summen aufgerufen, daher sollten Startups hier zurückhaltend agieren. Die Gefahr besteht sonst, den sogenannten Cap Table frühzeitig zu verwässern, also zu früh zu viele Gesellschafter an Bord zu holen. Es muss für die nächsten Runden – Seed, Serie A und so weiter – noch genug Luft bleiben, um weitere Anteile abgeben zu können, ohne die Mehrheit zu verlieren. Als Investoren für die klassischen Finanzierungsrunden kommen zum einen Business Angels in Frage, die kleinere Beträge beisteuern, dafür stärker in der persönlichen Beratung sind. Und große Wagniskapitalunternehmen (VCs), die vor allem für Finanzierungen im Millionenbereich unverzichtbar sind.
Bei einem Startup auf Wachstumskurs kommt es immer wieder mal vor, dass sich bei einem Gründungsmitglied die Prioritäten verschieben oder sich unterschiedliche Auffassungen über die Ausrichtung des Unternehmens entwickeln. Die Folge: Dieses Urmitglied des Teams steigt aus, was erhebliche rechtliche Konsequenzen haben kann. Deshalb sollten für einen solchen Fall verbindliche Regeln definiert und vertraglich festgehalten werden.

Juristische Fragen sind auch in weiteren Bereichen von Beginn zu beachten. Das gilt zum Beispiel bei der Rechtsform des Unternehmens, die für die zukünftige Ausrichtung – Exit, Börsengang oder für immer in eigener Hand – relevant ist. Wobei die GmbH in den meisten Fällen eine gute Wahl ist. Liegt dem Geschäftsmodell eines Startups eine echte technologische Innovation zu Grunde, ist zu prüfen, wem die Rechte daran gehören und ob eine Anmeldung zum Patent möglich und sinnvoll ist. Geklärt werden muss auch, ob Firmenname und Internetadresse noch frei sind, und sich bei der Recherche nicht nur auf Deutschland beschränken. Sonst kann es spätestens bei der internationalen Skalierung zu teuren Komplikationen kommen.
Checkliste für erfolgreiches Startup-Wachstum
In den seltensten Fällen gibt es in der Anfangsphase eines Startups eine Person mit spezifischen juristischen Kenntnissen. Es ist also ratsam, sich diese Kompetenz einzukaufen. Ähnliches gilt für Steuerangelegenheiten. Die gute Nachricht: Viele Kanzleien und Unternehmensberatungen bieten vergünstigte Tarife für Startups, da sie hoffen, dass sich diese zu zahlungskräftigen Kunden entwickeln. Damit das gelingt, haben wir hier für euch noch einige Tipps zusammengestellt:
Denkt von Anfang an aus Kundenperspektive und orientiert euer Angebot an dem Feedback, das ihr von Kundenseite bekommt. Hohe Kundenzufriedenheit sorgt für Stabilität und Kontinuität.
Stellt euer Geschäftsmodell auf den Prüfstand, wenn ihr im Vertrieb nicht vorankommt. Nicht selten ist eine Umstellung von B2C auf B2B die Lösung.
Zu Beginn überzeugen Startups ihre Kundschaft oft durch individuelle Beratung und Produktentwicklung. Für die Skalierung ist es jedoch notwendig, möglichst viele Prozesse zu automatisieren, ohne den Servicegedanken zu vernachlässigen. Das erfolgt beispielsweise durch die Umstellung von projektbezogener Arbeit auf ein Software-as-a-Service-Angebot. Zur Steigerung der Effizienz wird immer mehr künstliche Intelligenz zum Mittel der Wahl.
Geht beim Wachstum nicht zu überstürzt vor. „Exponentiell“ klingt verlockend, doch „langsam, aber stetig“, also organisches Wachstum, ist oft der bessere und nachhaltigere Weg.
Legt euch, wenn irgend möglich, ein finanzielles Polster für schlechte Zeiten an, dann bringt euch eine verzögerte Finanzierungsrunde nicht sofort in existenzielle Schwierigkeiten.
Sucht euch Rat bei anderen Gründer:innen, die mit ihren Startups schon erfolgreich gewachsen sind. Oft bringt dieser direkte Austausch wertvolle Insights für eure nächsten praktischen Schritte.
Vernachlässigt nicht eure Gesundheit. Am Anfang mögen Sieben-Tage-Wochen und 15-Stunden-Tage unvermeidlich und auch vertretbar sein. Langfristig ist das aber nicht durchzuhalten. Für ein buchstäblich gesundes Wachstum benötigt ihr Pausen und Auszeiten. Das gilt selbstverständlich auch für die Mitarbeitenden.
„Fake it till you make it!” – So lautet ein beliebter Leitsatz in der Startup-Welt, der aber mit Vorsicht zu genießen ist. Wer große Versprechungen macht, sie aber nicht einhalten kann, verliert schnell das Vertrauen von Kunden und Investoren. Ehrlichkeit, wenn es mal nicht so schnell vorangeht wie gewünscht, kommt da besser an.
Scheitern erlaubt! Ein hoher Prozentsatz der Startups schafft es nicht profitabel zu werden. In diesem Fall ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu finden um aufzuhören. Das muss nicht das Ende des Startup-Lebens sein. Viele Gründer:innen wurden erst im zweiten oder dritten Gründungsversuch richtig erfolgreich.
Wachstum ist ein Prozess, der stets mit großen Veränderungen verbunden ist und so gut wie nie reibungslos verläuft. Dafür ist er mit zu vielen Faktoren verbunden, die sich nur bedingt beeinflussen lassen. Wo aber eine Einflussnahme möglich ist, sollte man gut vorbereitet sein, um Fehler zu vermeiden und das Wachstum forcieren zu können, statt zu bremsen. Das gilt für viele Bereiche des Lebens und erst recht für die Skalierung von Startups. Gefragt sind da Gründer:innen mit besonderen Fähigkeiten. Auf die Frage, welche das sind, gibt der Deutsche Startup Monitor diese fünf am meisten genannten Antworten: Resilienz, analytische Fähigkeiten, Kommunikation, Vision und Strategie.